Erfahrungen einer Delegationsreise ins Silicon Valley

Die wohl weltweit besten Bedingungen für das Entstehen von Innovationen werden dem Silicon Valley bzw. der San Francisco Bay nachgesagt. Daher habe ich mich mit einer Delegation des Verbandes der Familienunternehmer auf eine Reise in das Epizentrum der Innovation begeben. Was können wir über die Entwicklung von Innovationen im Silicon Valley für Deutschland lernen?

Bei insgesamt 45 Unternehmensbesuchen und Keynotes lernten wir innovative Geschäftsmodelle kennen, bekamen Einblicke in die Gestaltung innovativer Arbeitsumgebungen und die Denkweise der treibenden Innovatoren. Wir besuchten große Firmen wie Google, Facebook, Twitter und Tesla. Aber auch kleinere, schnell wachsende Unternehmen mit globalen Ambitionen und hoher Dynamik. Im NASA Research Center sahen wir die Produktion moderner Satelliten und in Stanford lernten wir, wie mit der Methode des Design Thinking Innovationsprozesse gestaltet werden können. Die Grundgedanken des Design Thinking, Visual Thinking und Storytelling sind auch sinnvoll in der europäischen Innovationsentwicklung gut einsetzbar.

Storytelling wird in Kalifornien an den Hochschulen gelehrt. Auch in Acceleratoren und Inkubatoren ist ein wichtiger Bestandteil der Kurse, Gründern zu helfen, ihre Geschichte, die ein Leistungsversprechen darstellt, so zu erzählen, dass sie sexy ist und damit auch in der Lage zu verkaufen.

Wir lernten ein Startup kennen, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit Hilfe von sieben Fragen den Net Promoter Score abzulösen. Ein anderes Startup hat große Fortschritte in der softwarebasierten Gesichtererkennung zu verzeichnen. Emotionale Stimmungen können auf diese Weise elektronisch erfasst werden. Virtual Reality und Augmented Reality Brillen können bereits heute Testumgebungen simulieren, die in der Innovationsentwicklung eingesetzt werden können.

Ein weiteres wichtiges Erfolgsgeheimnis in der Arbeitsweise der digitalen Wirtschaft Kaliforniens liegt in der fest verankerten Bereitschaft der Unternehmen zu lernen, lernen und wieder zu lernen. Seinen Kunden zuzuhören und zu verstehen. Ausprobieren, auch mal scheitern und wieder neu machen. Und auf dieser Basis die eigene Leistung zu verbessern, um die Kundenerfahrung permanent zu verbessern. In Deutschland glauben wir oft, die Dinge schon genau zu wissen, und laufen dabei Gefahr, die schnellen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes nicht oder erst zu spät wahrzunehmen.

Die sich rasant verbessernden Möglichkeiten der Sensorik und der Big Data Analysen machen Befragungen für die Marktforschung für eine Vielzahl von Fragestellungen zukünftig überflüssig. Die sensorische oder softwarebasierte Messung liefert zuverlässigere Ergebnisse als Befragungen z.B. im Bereich der Platzierungsoptimierung von Produktkombinationen am Point of Sale. Customer Journey Analysen werden durch Tracking automatisiert und die In-App-Lokalisierung von Verbrauchern ermöglicht Befragungen über lokale Fragestellungen. Über eine App wird z.B. festgestellt, dass ein Kunde gerade ein bestimmtes Geschäft verlassen hat und direkt im Anschluss zu einer mobilen Befragung über sein Einkaufserlebnis eingeladen werden kann. Oder er verlässt gerade einen Bahnhof, wo ein großflächiges Werbeplakat steht, und kann im nächsten Moment über die Wirkung des Plakats befragt werden. Das Smartphone macht es möglich. Fraglich ist, wie die Bereitschaft der Bevölkerung sich entwickelt, Lokalisierungsdienste auch für die Marktforschung zuzulassen.

Aber auch andere Innovationen aus dem Valley können wir für die Marktforschung der Zukunft einsetzen. Google und WhatsApp haben große Fortschritte darin erzielt, simultanes Übersetzen von Gesprächen zu automatisieren. Wir können uns schon heute sowohl telefonisch als auch persönlich mit Menschen unterhalten, deren Sprache wir nicht sprechen.

Ausgründungen aus dem universitären Umfeld werden stark unterstützt und Gründergeist an den Hochschulen vermittelt. Unternehmertum genießt ein hohes Prestige. Aus Stanford sind in den letzten 10 Jahren mehr als 12.000 Unternehmensgründungen von Absolventen hervorgegangen, die über 2,4 Mio. Arbeitsplätze geschaffen haben. In Stanford studieren 15.000 der besten Bewerber und werden mit einem Budget von 5,1 Milliarden Dollar von 2.000 Professoren unterrichtet. An der Hamburger Universität werden zum Vergleich 42.000 Studierende von 658 Professoren mit einem Budget von 595 Mio. Euro unterrichtet. Diese massiven Unterschiede in der Finanzierung der Hochschulen haben Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, die Kreativität und den Freiheitsdrang unserer jungen Menschen für neue Unternehmensideen zu nutzen. Diese unterschiedlichen Entwicklungen bei der Förderung von Ausgründungen aus dem Hochschulumfeld haben auch einen Einfluss auf das Entstehen von Innovationen.
Über das Internet der Dinge wird Gegenständen die Kommunikation miteinander ermöglicht. Künstliche Intelligenz ist auf dem Weg, Produkte und Prozesse zu verbessern. Facebook ist gerade dabei, dieses Thema zu treiben. Hier bietet sich auch für Deutschland ein weites Feld für Innovationen. Wir sollten unsere besten Forscher und Entwickler darauf ansetzen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die sich künstliche Intelligenz zu Nutze machen.

Die Reise hat uns neue Perspektiven eröffnet und unsere Horizonte erweitert. Vieles ist nicht zwingend besser als bei uns, aber die Herangehensweise an Innovationen hat uns für unsere eigenen Unternehmen inspiriert.

Dr. Björn Castan