Die Nähe der Zukunft

Die größte Impfaktion in der Geschichte der Menschheit ist angelaufen. Trotzdem wird uns Corona noch lange begleiten. Ebenso wie Influenza, HIV, Herpes, die Masern und Hepatitis nie verschwunden sind. Eine Zukunft nach Corona wird es daher nicht geben, sondern nur ein Leben MIT Corona. Dieser Tatsache sollten wir ins Auge blicken. Unternehmen, deren Geschäftsmodelle bislang mit coronakonformen Abstandsregeln nicht profitabel zu betreiben sind, haben also ein elementares Problem, das durch Impfungen zwar abgemildert aber nicht gelöst wird. Insbesondere die Freizeit- und Veranstaltungswirtschaft leben davon, dass Menschen körperliche Nähe suchen, die auf ungewisse Zeit unter Fremden nicht mehr so sein wird, wie sie vor Corona alltäglich war.

Die Lockdownzeiten im März/April 2020 sowie im Winter 20/21 haben nicht nur wichtige Teile unserer Volkswirtschaft für längere Zeit lahmgelegt, sondern haben neben den körperlichen Auswirkungen für die Coronainfizierten auch eine äußerst wichtige psychologische Nebenwirkung auf die Menschen. Nämlich den Verlust menschlicher Nähe. Das Empfinden von Nähe ist aber ein elementarer Bestandteil für das Empfinden von Lebensglück. Die plötzliche Blockade von Nähe hat daher weitreichende psychologische Konsequenzen, die m.E. bisher in den Medien nur wenig Berücksichtigung gefunden haben. In unseren Großstädten sind mehr als die Hälfte der Haushalte Singlehaushalte. Allein lebende Menschen jeden Alters sind sicherlich am stärksten davon betroffen, durch die Vorsichtsmaßnahmen menschliche Nähe nur noch stark eingeschränkt zu erleben. Aber auch nicht allein Lebende müssen Einschränkungen hinnehmen, Verwandte und Freunde zu treffen. Feiern zu können. Die Pandemie erfordert Distanz, aus der ein Defizit an Nähe entsteht und daraus wiederum der Wunsch nach Kompensation.

Was ist eigentlich Nähe?

Wir unterscheiden körperliche Nähe und emotionale Nähe. Körperliche Nähe entsteht durch Anfassen, Tasten, Schmecken, Riechen, Sehen und Hören. Potenziell infektiös erscheinen nur die ersten drei. Emotionale Nähe basiert auf Gemeinsamkeiten wie gemeinsamen Werten, Gewohnheiten, Interessen, Geschmack, Wellenlänge, oder Glauben. Emotionale Nähe besteht aber auch darin, dass wir uns mitteilen können, dass wir gesehen werden, gehört werden, uns selbst und andere wahrnehmen und Interesse an anderen haben. Emotionale Nähe ist wahrscheinlich für das menschliche Wohlbefinden nicht weniger wichtig, als körperliche Nähe.

Wie entsteht Nähe und was blockiert sie?

Zunächst einmal wird Nähe durch Verbindungen erzeugt. Z.B. wenn man miteinander redet. Aber auch durch Sympathie, Angstfreiheit, Vertrauen und Verständnis. Bis hin zur Romantik, Erotik und Liebe. Aber auch Humor, Toleranz, Offenheit, Respekt und Freundschaft erzeugen Nähe.

Ängste, Hemmungen, innere Distanz, Antipathie und Skepsis können das Entstehen von Nähe blockieren.

Fraglich ist, ob emotionale Nähe körperliche Nähe kompensieren kann. Wahrscheinlich nicht vollständig. Aber sie kann das empfundene Nähedefizit mit Sicherheit verringern.
Nicht umsonst verwenden wir in unserer Sprache den Begriff “berühren” sowohl für körperliche Berührungen als auch für emotionale Berührung. Unsere Sprache unterscheidet nicht dazwischen, ob wir körperlich oder emotional “berührt” werden. Sofern also die Annahme stimmt, dass das Schaffen emotionaler Nähe ergänzt um die ungefährlichen körperlichen Aspekte der Nähe des Sehens und Hörens, das bleibende Defizit körperliche Nähe zumindest teilweise kompensieren kann, haben wir eine Grundlage, auf der Geschäftsmodelle, für die körperliche, potenziell infektiöse Nähe vor Corona erforderlich war, neu gedacht werden müssen.

Wie können Geschäftsmodelle der Zukunft die neue Nähe nutzen?

Die Nähe der Zukunft wird stärker eine emotionale als eine körperliche sein. Die Unternehmen, denen es am besten gelingt, emotionale Nähe zu ihren Kunden herzustellen, werden im Wettbewerb die Nase vorn haben.

Unternehmen sollten in ihrer Kommunikation darauf achten, die nähehemmenden Faktoren zu vermeiden und näheschaffende Elemente zu betonen. Nähe kann nicht erzwungen werden, aber Unternehmen können Freiräume schaffen, in denen Nähe, die frei von Infektionsgefahren ist, zugelassen werden kann.

Wie sollten Unternehmen mit dieser aktuellen Verfassung ihrer Kunden und potenziellen Kunden umgehen? Wie kann es ihnen gelingen, Nähe zu ihren Kunden herzustellen, ohne Infektionsgefahren? Für Unternehmen, deren Geschäftsmodelle mit körperlichem Abstand nicht mehr funktionieren, müssen neue Erlösmodelle gefunden werden. Z.B. hybride Formen mit Erlösen aus (wenigen) Präsenzkunden und zusätzlichen Erlösen von (vielen) Onlinekunden. Neue hybride Konzepte zu entwickeln, für die auch tatsächlich eine Zahlungsbereitschaft besteht, ist jetzt die große Herausforderung.

Gerne hilft Research for Future Ihnen dabei, neue Erlösmodelle zu identifizieren, neue potenzielle Zielgruppen zu beschreiben und deren Zahlungsbereitschaft für innovative Angebote zu messen.