Vom Scheitern von Innovationen

Seit meinem Studium lese ich Biographien von Menschen, die etwas bewegt haben in unserer Welt. Die viel geschafft haben und noch mehr geschaffen.

Ein Aspekt, der in vielen Biographien zwar vorkommt, aber meistens im Hintergrund, ist das Scheitern. Das Erleiden von Niederlagen. Teils sehr schweren Niederlagen. Ich behaupte jetzt einfach einmal, ohne jeden empirischen Beweis, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens mehrfach scheitert, Ziele nicht erreicht, große Fehler begeht, Niederlagen einstecken muss. Millionen von Innovationen sind im Laufe der Zeit gescheitert. Die Biographien selbst der erfolgreichsten Menschen der Welt sind voller Beispiele für zeitweise grandioses Scheitern. Steve Jobs oder Jeff Bazos haben große Niederlagen erlitten, bevor ihnen die größten Durchbrüche gelungen sind. Vater Graf, Jürgen Schneider, Ulli Hoehnes und Thomas Middelhoff sind nach großen Erfolgen im Gefängnis gelandet.

„Hinfallen ist keine Schande. Nur muss man wieder aufstehen“, lautet ein gerne bemühtes Lebensmotto. Offenbar gibt es aber sehr große Unterschiede darin, wie Menschen mit Niederlagen umgehen. Einige wachsen daran, weil sie durch das Gelernte zukünftig bessere Entscheidungen treffen. Andere gehen daran zugrunde.

Was unterscheidet diese beiden Gruppen? D.h. warum wächst der eine, während der andere an Niederlagen zugrunde geht? Warum ist es für den Einen Quelle der Kraft für etwas Neues und für den Anderen Grund zur Resignation?
Die Psychologie hat hierzu den Begriff der Resilienz geprägt. Sie bezeichnet die Fähigkeit, mit Krisen umzugehen. Bei Wikipedia ist nachzulesen, dass resiliente Personen gelernt haben, dass sie es sind, die über Ihr eigenes Schicksal bestimmen. Sie vertrauen nicht auf Glück oder Zufall, sondern nehmen die Dinge selbst in die Hand.

Ich habe ehrlich gesagt nicht die leiseste Ahnung, zu welchen Teilen Resilienz angeboren und zu welchen Teilen erlernt ist. Aber es muss wohl auch an unserer inneren Einstellung liegen, die wir gegenüber dem Scheitern haben. Diese Einstellung ist auch kulturell unterschiedlich. In den USA wird eine Insolvenz eher als eine Erfahrung gebucht, aus der es zu lernen gilt, während in Deutschland einer Insolvenz noch immer ein Stigma anhaftet. Zweite oder gar dritte Chancen sind bei uns scheinbar schwerer zu bekommen, als in den USA.

Wie ist ein Jürgen Klopp einst damit umgegangen, vom Championsleage Finale bis zum letzten Tabellenplatz durchgereicht zu werden? Heute ist er eine der erfolgreichsten Trainer der Welt. Er hat eben nicht resigniert, sondern den letzten Tabellenplatz als eine neue Situation und Herausforderung angenommen, indem er verkündete „Ich habe nicht den Eindruck, dass ausgerechnet bei mir das ganze Leben lang die Sonne aus dem Arsch scheinen müsste.“ Zitatende.

Wenn wir über das Scheitern von Innovationen nachdenken, sollten wir uns selbstkritisch hinterfragen, wie wir mit den Misserfolgen anderer umgehen. Haben Sie diese alleine bewältigt, oder hatten Sie das Glück, aus Ihrem Umfeld Hilfe zu bekommen? Misserfolge machen uns verwundbar. Verletzlich. Privat und auch unternehmerisch. Daher kommt es für den Umgang damit ganz entscheidend auch darauf an, wie unser Umfeld darauf reagiert. Werden wir aufgefangen oder gar isoliert, wodurch die Situation noch verschlimmert wird?

Wichtig ist eine Fehlerkultur, die sich nicht auf Schuldzuweisungen konzentriert, sondern darauf abzielt, was wir aus den begangenen Fehlern lernen können. Sind die ersten Ideen auf dem Weg zu einer Innovation gescheitert? Ok, dann haben wir jetzt gelernt, wie es nicht geht und gestalten den nächsten Versuch besser!

Dr. Björn Castan