Vom Trend zum Geschäftsmodell

„Der beste Weg die Zukunft vorherzusagen, ist sie selbst zu gestalten“, soll Abraham Lincoln gesagt haben. Und dies soll auch schon meine Kernbotschaft sein. Zukunft ist nichts was einfach passiert. Zukunft ist, was wir alle daraus machen. Wir haben zu einem wesentlichen Teil selbst in der Hand, wie wir unsere Zukunft gestalten. Sowohl jeder einzelne von uns individuell als auch als Teil der Wirtschaft oder Gesellschaft.

In diesem Beitrag werde ich der Frage nachgehen, wie aus der Kenntnis von Trends neue Geschäftsmodelle für die Zukunft abgeleitet werden können.

Wenn Sie auf der Suche nach neuen Geschäfts- oder Erlösmodellen sind, ist es wichtig, Trends zu kennen und in deren Kenntnis eine bewusste Entscheidung zu treffen, ob Sie ein neues Geschäftsmodell trendfolgend entwickeln wollen, absichtlich gegen einen Trend oder ob Sie vielleicht sogar selbst einen neuen Trend auslösen möchten. Praktisch jeder Trend wird begleitet von Gegentrends. Diese werden geprägt von Menschen, die genau das Gegenteil dessen tun oder kaufen, was gerade im Trend ist. Es gibt z.B. eine gar nicht so kleine Gruppe von Menschen, die Musik wieder oder immer noch von Schallplatten abspielen, obwohl heute Streaming der gängigere Weg geworden ist, Musik zu hören. Es gibt seit einigen Jahren eine Renaissance von Polaroid Sofortkameras, obwohl digitale Fotografie sich sehr weitgehend durchgesetzt hat. Und es gibt sowohl in der Architektur als auch im Design immer wieder Retroströmungen, die der Sehnsucht von Menschen nach der „Guten alten Zeit“ Rechnung trägt. Trendfolgende Geschäftsmodelle bedienen in der Regel Massenmärkte. Geschäftsmodelle, die Gegentrends bedienen, sind i.d.R. zwar Nischenprodukte, die aber trotzdem hoch profitabel sein können.

Was ist eigentlich ein Trend?

Wikipedia definiert einen Trend als „ein Instrument zur Beschreibung von Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Beschreibung und die Randbedingungen erlauben eine Aussage über die zukünftige Entwicklung.“ Trends sind beobachtbar, aber nur schwer messbar. Erst wenn eine Veränderung beobachtet wird, die einen zeitlich stetigen Verlauf vermuten lässt, sprechen wir von einem Trend.

Aber generell gilt natürlich auch: Vorsicht mit Trends: Was heute als Trend gilt, kann morgen schon von anderen Entwicklungen überholt worden sein, wie wir augenblicklich in der Pandemie auch eindrucksvoll erleben (z.B. Globalisierung versus Deglobalisierung).

Wie findet man Trends?

Trendforscher beobachten und befragen, dann verdichten, bewerten und interpretieren sie die gewonnenen Informationen. In der Trendforschung werden beobachtete Entwicklungen der Gegenwart benannt, die voraussichtlich auch für unterschiedliche Zukunftszeiträume Bestand haben werden. Man bewegt sich folglich von der Gegenwart gedanklich in die Zukunft.

Die Zukunftsforschung arbeitet oft umgekehrt. Es werden mögliche Szenarien der Zukunft beschrieben und daraus Maßnahmen für die Gegenwart abgeleitet, mit denen wir das Eintreffen gewünschter Zukunftsszenarien unterstützen können. Eine andere Methode der Trend- und Zukunftsforscher besteht darin, die echten Themen die heute schon in den Forschungsabteilungen von Unternehmen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen behandelt werden, zu sammeln und zu beschreiben. Diese Methode funktioniert dann, wenn die Forschungsprojekte Erfolg haben und in reale Produkte umgesetzt werden, was jedoch bei vielen Forschungsprojekten nicht der Fall ist. Ich war z.B. vor drei Jahren im Zukunftslabor von Panasonic in Tokio. Dort habe ich eine komplett sprachgesteuerte Küche gesehen. Ob die Sprachsteuerung allerdings einen so großen Vorteil hat, dass sie sich beim Verbraucher durchsetzen wird, ist völlig ungewiss. Dort habe ich auch gesehen, wie auf unterschiedliche Materialien wie Glas, Wände oder Schränke in einer unfassbaren Qualität Bilder und Filme projizierte werden können. Dadurch könnten eigentlich Bildschirme und Fernseher überflüssig werden. Aber wie gesagt, die Durchsetzung neuer Technologien und des technisch Möglichen hängt davon ab, ob daraus profitable Geschäftsmodelle entstehen können oder eben nicht.

Aber kommen wir zurück zu den Methoden, Trends zu identifizieren. Einige Trendforscher setzen weltweite Trendscouts ein, die aus unterschiedlichen Regionen der Welt Informationen darüber zusammen tragen, welche neuen Entwicklungen und neuen Angebote in ihrem jeweiligen Umfeld entstehen.

Beispiele für Megatrends

Einige Beispiele für Megatrends möchte ich Ihnen gerne nennen. Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in der Trendforschung, aber über einige Megatrends, die das Zukunftsinstitut zusammengestellt hat, herrscht weitgehender Konsens:

• Wissenskultur: Bildungs-, Informations- und Wissensgesellschaften verdrängen Industrie
• Female Shift: Frauen gewinnen an Bedeutung in der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
• Verlängerte Lebenserwartung des Menschen und Überalterung von Gesellschaften durch sinkende Geburtenraten
• Gesundheit als höchster gesellschaftlicher Wert
• Globalisierung
• Digitalisierung
• Individualisierung
• Künstliche Intelligenz, Automatisierung (Robotik)
• Neues ökologisches Bewusstsein, Auflösung des Gegensatzes zwischen Ökologie und Ökonomie
• Urbanisierung, Megacities
• Konnektivität – Vernetzung
• New Work
• Mobilität
• Sicherheit

Unter den Megatrends werden dann hunderte oder gar tausende von Makrotrends für jede nur erdenkliche Branche definiert. Ich möchte Ihnen anhand des Beispiels des Megatrends Neo Ökologie aus der Megatrend Map des Zukunftsinstituts einmal aufzeigen, welche Makrotrends nur unter diesem einen Megatrend vereint werden.

• Bio-Boom
• Sharing Economy
• Slow Culture
• Gutbürger
• Lebensqualität
• Achtsamkeit
• Flexitarier
• Green Tech
• Social Business
• Direct Trade
• Zero Waste
• Circular Economy
• E-Mobility
• Decarbonisierung der Wirtschaft
• Sinn-Ökonomie

Ob nicht jeder dieser Untertrends auch wieder einen Megatrend bildet oder nicht, darüber kann man streiten. Das ist aber nicht wichtig. Wichtig ist, welche Schlüsse man aus diesen Beobachtungen für neue Geschäftsmodelle zieht. Dazu werde ich gleich noch kommen.

Zuvor möchte ich Ihnen aber gerne noch einige aktuelle Technologietrends vorstellen, die hoch spannend sind und uns in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich begleiten werden. Vertiefend empfehle ich hierzu die Lektüre des Buches „10x DNA“ von Frank Thelen. Demnach sind die wichtigsten Technologietrends, bei denen Thelen aus meiner Sicht gut begründet eine exponentielle Verbreitung annimmt:

• Künstliche Intelligenz
• Robotik
• Synthetische Biologie und synthetische Medizin (Durch Veränderungen der menschlichen DNA werden wir in der Lage sein, unseren Körper zu verändern,
voraussichtlich Krebs zu heilen und zukünftige Epidemien schnell zu stoppen.)
• Blockchain
• 5G und das Internet der Dinge
• 3 D Druck – Additive Fertigung
• Quantencomputer
• Cloud Computing
• Saubere Energie- (Decarbonisierung, Speicherung von Energie, CO2 aus der Luft absorbieren)
• Autonome Mobilität
• Fleischersatzprodukte

Wenn Sie Geschäftsideen entwickeln, die auf diesen neuen Technologien beruhen, werden Sie es leichter haben, Kapitalgeber zu finden, als in klassischen Industrien, da in diesen Bereichen exponentielles Wachstum wahrscheinlich ist. Diese Technologien sollen große Menschheitsprobleme lösen und bieten daher große Chancen für neue Geschäftsmodelle.

Vom Trend zum Geschäftsmodell

Ein erfolgreiches Geschäftsmodell findet man aber nicht allein durch die Beobachtung von Trends und der Analyse der Auswirkungen von Trends auf Märkte. Essenziell ist das Finden ungelöster Probleme, die nur darauf warten, gelöst zu werden. Aus ungelösten Problemen ergeben sich die besten Geschäftschancen, da nur wirkliche Problemlösungen auch Käufer finden.

Sie können auch Erkenntnisse aus unterschiedlichen Trends kombinieren, um zu neuen Geschäftsmodellen zu gelangen.

Ich gebe Ihnen drei Beispiele:

Dem Megatrend Neo-Ökologie folgend, suchen wir nach einem Beitrag zur Müllvermeidung für die Gesellschaft. Suchen also Teillösungen für die Makrotrends Zero Waste oder Kreislaufwirtschaft. Jetzt brauchen wir ein dazu passendes Problem und beobachten in unserem Alltag, dass Hundebesitzer jeden Tag bis zu vier Plastiktüten pro Hund verwenden, um deren Hinterlassenschaften von den Bürgersteigen zu entfernen. Um den daraus resultierende Plastikmüllberg zu reduzieren, könnten Sie einen neuen Hundebeutel erforschen, der aus einem biologisch schnell abbaubaren Material besteht und trotzdem seinen Zweck erfüllt.

Oder wir folgen wir dem Megatrend der Neo-Ökologie und den Makrotrends Decarbonisierung sowie der Slow Culture und verbinden diese mit dem Megatrend Mobilität. Als Problem stellen wir fest, dass wenn aktuell in einer Großstadt Ihr Fahrrad kaputt geht, sie bei den bestehenden Fahrradreparaturbetrieben eine Wartezeit von 6 bis 8 Wochen auf einen Reparaturtermin haben. Kein regelmäßiger Fahrradfahrer kann aber so lange auf eine Reparatur warten. Also könnten Sie einen mobilen Reparaturservice gründen, der Fahrräder mit Hausbesuchen innerhalb von einem Tag repariert. Oder eine Kette von stationären neuen Reparaturbetrieben in Großstädten aufbauen. Oder Sie lösen das Problem anders durch eine Sharing Plattform, auf der Menschen, die ihre Fahrräder gerade nicht brauchen, diese an Fahrradfahrer verleihen, deren Fahrräder gerade kaputt sind und leisten einen Beitrag zum Makrotrend der Sharing Economy.

Forscher bei Airbus haben damit begonnen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Wasserstoff in der Zukunft als Treibstoff für Flugzeuge genutzt werden kann. Der Megatrend Neo Ökologie verlangt nach einer Decarbonisierung der Wirtschaft. Fossile Brennstoffe, die wir heute einsetzen, müssen also durch Antriebstechnologien ersetzt werden, die emissionsfrei funktionieren.

Diese Beispiele sollten dazu dienen zu veranschaulichen, wie man aus Trends Ideen für neue Geschäftsmodelle ableitet. Ein potenziell profitables Geschäftsmodell haben Sie aber erst dann gefunden, wenn Sie zum einen eine sinnvolle Lösung für ein wichtiges Problem gefunden haben und dafür die Zahlungsbereitschaft aus der Sicht der Zielgruppe auch ausreichend hoch ist, um damit nachhaltig positive Deckungsbeiträge zu erzielen. Es reicht also nicht, ein innovatives Produkt zu entwickeln, das auch wirklich ein Problem löst, sondern Sie müssen es auch zu einem Preis anbieten können, den ausreichend Käufer bereit sind, zu bezahlen.

Wie hilft Innovationsforschung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle?

Die Arbeit der Trendforscher endet in der Regel an der Stelle, wenn die relevanten Trends für eine bestimmte Branche identifiziert und beschrieben wurden und mögliche Auswirkungen auf die Branche oder das spezielle Kundenunternehmen analysiert wurden. Unsere Arbeit bei Research for Future beginnt dort, wo die Trendforscher aufhören.
Wenn Sie noch kein gutes Problem gefunden haben, das Sie lösen könnten, helfen wir dabei, ungelöste Probleme zu finden.

Sofern schon ein lösbar erscheinendes Problem gefunden wurde, helfen wir in Workshops dabei, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und diese in erste Konzeptideen zu überführen. Diese Konzeptideen werden dann in Form von Onlinebefragungen oder persönlichen Interviews auf eine Markttauglichkeit untersucht und Anregungen aus potenziellen Zielgruppen für Konzeptverbesserungen gesammelt. Gleichzeitig wird das Marktpotenzial der unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten untersucht. Wie viele potenzielle Käufer sehen denn die Konzeptideen als so gute Problemlösungen an, dass sie ein grundsätzliches Kaufinteresse haben? Und wie hoch ist ihre Zahlungsbereitschaft für die vorgestellten Möglichkeiten der Problemlösung?

Wenn wir wissen, wer eine grundsätzliche Kaufbereitschaft hat und wie hoch die Zahlungsbereitschaft ist, können wir erstens Zielgruppen beschreiben, die am ehesten als Kunden in Frage kommen und zweitens helfen wir dabei, anhand der Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden, einen möglichen Marktpreis festzulegen. Wenn dieser oberhalb der zu erwartenden Produktionskosten liegt, spricht viel für ein potenziell erfolgreiches Geschäftsmodell.

Ausgewählt für die Umsetzung wird dann die Konzeptidee mit dem höchsten Markt- bzw. Ertragspotenzial.

Auf diese Weise helfen wir Unternehmen, ihre Produkte der Zukunft zu entwickeln. Mit den Methoden der Innovationsforschung werden komplette Innovationsprozesse von Unternehmen begleitet. Unabhängig davon, welche Innovationsmethoden Unternehmen einsetzen um zu neuen Produkten zu gelangen, stellt sich immer ab einem bestimmten Punkt die Frage nach der Akzeptanz bei potenziellen Kunden und damit dem möglichen Marktpotenzial. Die Innovationsforschung leistet damit einen wichtigen Beitrag, die erforderlichen hohen Investitionen in die Markteinführung neuer Produkte nur dann zu tätigen, wenn der Markterfolg eines Produktes eine nachweislich hohe Wahrscheinlichkeit aufweist.

Die beiden Disziplinen der Trendforschung und der Innovationsforschung ergänzen sich somit optimal, um erfolgreiche neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Beide bieten eine erprobte und fundierte Vorgehensweise, die es Ihnen ermöglicht und erleichtert, die Zukunft von Unternehmen und unserer Gesellschaft aktiv selbst zu gestalten.

Ihre Kontaktadresse für Rückfragen: castan@researchforfuture.com